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Vorurteile, Rassismus, Ausgrenzung
oder
Mit Unterschieden leben lernen
(Ein Diversity-Ansatz)

- Angebote zur Lehrerfortbildung -

Auf der Lünener Fachtagung „Die Kids und wir" von 1999 wurden mit den Projekten „Ohne Gewalt stark" (Kommissariat Vorbeugung der Polizei Bochum) und „Mediatoren statt Gladiatoren" (Dr. Ingrid Engert, Universität Bielefeld) zwei Präventionskonzepte vorgestellt, die beide das Ziel haben, Schülerinnen und Schülern Angebote zu machen, die ihnen helfen, ihre Alltagsprobleme für alle Beteiligten zufriedenstellender in den Griff zu bekommen - und zwar ohne zu Gewaltlösungen zu greifen.

Auch Dr. Susanne Karstedt hat auf derselben Tagung wichtige Hinweise geliefert für die Prinzipien, die bei der Entwicklung erfolgreicher Präventionsprogramme1 gelten sollten (s. auch Anhang). Der nachfolgende Beitrag ist in der Kontinuität dieser Arbeit zu sehen.

Workshops mit ganzen Klassen - ein situationsorientierter Präventionsansatz in der Schule

Eigentlich nichts Ungewöhnliches:

Eine Klasse ist unzufrieden damit, dass es bei ihr gar keine richtige Klassengemeinschaft gibt. Es gibt höchstens kleinere Cliquen, die sich gegenseitig das Leben auch noch ganz schön schwer machen. `Coole Sprüche´, auch rassistische Anmache, Beleidigungen, bis hin zu `Fertigmachen´ von Einzelnen gehören zum Schulalltag.

Wie kann Schule darauf reagieren, welche Hilfestellungen können wir anbieten?

Die Erfahrung zeigt, dass Schule mehr leisten muss als die Durchführung des ganz normalen Unterrichts. `Mit Unterschieden leben lernen´ ist das Lernziel. Einen Weg dorthin bietet das situationsorientierte Präventionskonzept als Rahmen für die Diversity Arbeit, dessen Entwicklung und theoretischer Hintergrund im Folgenden vorgestellt werden.

1. Von der Lehrerfortbildungsmaßnahme „Rechtsradikalismus im Zusammenhang mit Fremdenfeindlichkeit, Gewalt, Nationalismus und Extremismus" zur Arbeit in Schule und Multiplikatorenqualifizierung. Eine Wegbeschreibung.

Diese `Wegbeschreibung´ soll einen Eindruck von der Entwicklung von Präventionskonzepten vermitteln, in diesem Fall aufgezeigt an der Arbeit in Schule (Pestalozzi-Gymnasium Herne) und Multiplikatorenqualifizierung, insbesondere Lehrerfortbildung (auf regionaler Ebene im Raum Herne, Bochum, Witten). Es soll gezeigt werden, auf welche Hilfestellungen und Ergebnisse aus Theorie und Praxis bei der Entwicklung angemessener Konzepte für das jeweilige Praxisfeld zurückgegriffen werden kann.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Frage der Nachhaltigkeit der Konzepte.

Einiges spricht dafür, dass situationsorientierte Präventionskonzepte, die es sich zum Ziel gemacht haben, an den konkreten Problemen lösungsorientiert zu arbeiten, eine gute Chance haben, Nachhaltigkeit in ihrer Arbeit zu erreichen. Warum dies so ist und was bei der Konzeptentwicklung und der praktischen Umsetzung zu berücksichtigen ist, soll hier gezeigt werden.

  1. Die Lehrerfortbildungsmaßnahme „Rechtsradikalismus ..." – Ergebnisse aus den Bereichen von Theorie und Praxis
Von 1994-1998 habe ich die landesweite Lehrerfortbildungsmaßnahme „Rechtsradikalismus..." moderiert. Die Themen waren:
  1. unser eigenes Erleben der Situation (Wahrnehmen/Erleben);
  2. die theoretische Analyse der Problematik (Erklären und Deuten)
  3. und schließlich die Frage: „Was können wir als Lehrerinnen und Lehrer tun? (Handeln).
Um die Bereiche Erklären/Deuten und Handeln soll es hier in erster Linie gehen.

Wir, d.h. ModeratorInnen und TeilnehmerInnen der Maßnahme, haben uns mit theoretischen Analysen auseinandergesetzt, in der Hoffnung, Erkenntnisse und Hilfestellungen für die praktische Arbeit zu bekommen.

Wir haben allerdings schnell gelernt, dass der Bereich, in dem es um die Suche nach den Ursachen von Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung ... geht, uns dabei nicht sehr viel weiter hilft (Heitmeyer: „Nicht mehr mein Arbeitsbereich").

Das obere Dreieck des Schaubilds ist da bedeutend hilfreicher. Das gilt sowohl für die theoretische wie die praktische Arbeit, die hier geleistet wird. Im Bereich der Theorie gibt es allerdings sehr viel weniger WissenschaftlerInnen, die sich hiermit beschäftigen, und das auch erst seit noch nicht allzu langer Zeit. Einer ihrer Vertreter ist Kurt Möller (Fachhochschule für Sozialwesen, Esslingen).

Mir gefällt, wie Möller2 (ehemaliger Heitmeyer-Mitarbeiter) mittlerweile seinen Forschungsbereich beschreibt: Suche nach Ursachen von Nicht-Gewalt, Nicht-Ausgrenzung ... . Er sieht seinen Arbeitsbereich zu dieser Thematik sowohl in der Analyse, wie auch in der sich daraus ergebenden Praxis. (Mehr zu der Frage, welche Erkenntnisse uns diese Verbindung zwischen Theorie und Praxis bringt, im theoretischen Hintergrund weiter unten.)

An dieser Stelle soll es erst einmal darum gehen, welches die Zielrichtung unserer Arbeit ist.

Schaubild 1 zeigt für beide Herangehensweisen das Lernziel: Wir brauchen eine Kultur der Akzeptanz im Sinne Heitmeyers3, in der Menschen sich in gegenseitiger Wertschätzung begegnen.

Das ist ein sehr hehres Ziel, von dem wir in der Alltagspraxis bisher noch weit entfernt sind. Deswegen brauchen wir Veränderungsprozesse im Bewusstsein und Handeln aller Beteiligten - d.h. Jugendliche und Erwachsene müssen lernen und auch gemeinsam entwickeln, wie Handeln in einer Kultur der Anerkennung überhaupt aussehen kann.

Schaubild 1: Kultur der Akzeptanz
Ein Problem wird deutlich mit dem Lernziel einer Kultur der Akzeptanz: Unsere „Kids" haben bisher so gut wie keine dieser Zielvorstellung entsprechenden Rollenmuster, die ihnen beim Finden der eigenen Rolle helfen bzw. ihnen etwa gar den Weg weisen könnten. Wenn wir diese Erkenntnisse ernst nehmen, müssen wir Räume schaffen, in denen ein solches Lernen und Entwickeln von Handlungsmustern - für alle Beteiligten (eben auch die Erwachsenen 1) - stattfinden kann. Neben der Bereitstellung solcher Räume z.B. in Schule, Lehrerfortbildung und anderen Institutionen, ergibt sich als nächstes die drängende Frage: Wie kann dieses Lernziel, das Erreichen einer Kultur der Akzeptanz, an Menschen herangetragen werden?

Auf der Suche nach Ursachen von Gewalt, Ausgrenzung ... bieten theoretische Analysen zwar oft keine allzu große Hilfestellung für die praktische Arbeit, doch auch dort finden sich Hinweise, was z.B. Schule angesichts der typischen Alltagserfahrungen Jugendlicher trotzdem leisten kann:
- Konstruktive / demokratische Streitkultur
- Wertschätzung der Menschen; emotionale Zuwendung abkoppeln von schulischer Leistung
- Regeln / Aushandeln von Umgangsformen
- Regelverletzung muss Folgen haben ...

Aber besonders aufgerüttelt haben uns Heitmeyers mittlerweile sehr bekannt gewordene Thesen - zu sehen in Schaubild 2.

Also haben wir uns auf die Suche gemacht, um mehr darüber herauszufinden, wie unsere pädagogische Arbeit, wie Lernen denn aussehen kann, wenn „Belehrung gegen Erfahrung nicht ankommt" und „darüber Unterricht machen" auch nicht sehr vielversprechend ist. Heitmeyers Aufsatz4, in dem er diese Thesen erläutert, hat uns nämlich überzeugt. Wir haben alle die Erfahrung gemacht, dass moralische Appelle, Toleranz einfordern und Ähnliches im Ernstfall nicht sehr viel weiter helfen.

Für uns ergab sich in dieser Phase die Frage: „Wie kann Erfahrungslernen aussehen?" und auch: „Wo kann das stattfinden?".

Wir haben einige Gruppen und Institutionen gefunden, deren Arbeit uns überzeugt hat:
- Das Kölner Trainingskollektiv für gewaltfreie Aktion und kreative Konfliktlösung5
- Die Arbeitsstelle Weltbilder in Münster6
- Das Villigster Deeskalationsteam Gewalt und Rassismus7
- Den Bildungsverein Kantharos (Bildungsverein in Amsterdam und Berlin - Lida van den Brook, Am Ende der Weißheit)8

Schaubild 2: Wie erreiche ich Menschen?
Alle diese Gruppen haben sehr ähnliche Arbeitsweisen. Ein grundlegendes Prinzip ist das Anknüpfen an die Bedürfnisse und Probleme der Beteiligten. Mit ihnen gemeinsam werden Handlungsalternativen gesucht, die im Gegensatz zur gängigen Alltagskultur eher zu einer Kultur der Akzeptanz passen. Und das alles geschieht nicht, indem man nur darüber redet, sondern in Übungen, Spielen oder etwa mit Hilfe der Methode des Eingreif-Theaters. Es stehen insgesamt erfahrungs- und subjektorientierte Arbeitsmethoden im Vordergrund, die dabei helfen sollen, zu neuen Sichtweisen zu kommen, die Veränderung möglich machen.
Deutlich geworden ist in unserer Arbeit in jedem Fall auch: Wenn Veränderung stattfinden soll, ist Vernetzung ein nicht zu unterschätzender Faktor, da wir davon ausgehen, dass alle gesellschaftlichen Bereiche einbezogen werden sollten (Polizei, Schule, Jugendamt, Stadt, RAA, Verwaltung ... ).
Bei der Frage, wie Veränderung zu erreichen ist, ist ein `Knackpunkt´ der weit verbreitete Pessimismus, der auch heute noch häufig anzutreffen ist. Wenn wir in der aktuellen Terminologie bleiben, hört sich das so an: „Selbst wenn die große Mehrheit der `Anständigen´ nicht will, dass Menschen verfolgt, durch Straßen gehetzt und sogar umgebracht werden, erreicht man die, die es wirklich angeht, ja doch nicht."

Wenn wir von dem „Hebel der Veränderung" ausgehen, den Schaubild 3 zeigt, stimmt das so nicht.

In der Polizeiarbeit der Kommissariate Vorbeugung und in der Arbeit mit ganzen Schulklassen wie auch in den oben genannten Gruppen benutzen wir vergleichbare Ansatzpunkte. Auf den Punkt gebracht: Der Hebel für Veränderung liegt auf der Seite der scheinbar nicht beteiligten Mehrheit (s. hierzu Erklärungen unter 2.3).

Das macht es auf der einen Seite leichter, weil die Angehörigen dieser Gruppe ja auch nach eigenem Verständnis sehr viel zugänglicher sind für die Forderung, dass sich an der Situation etwas ändern muss. Auf der anderen Seite ist der Gedanke, den Blick zunächst auf sich selbst zu richten, für jede Gruppe, auch für die der `Anständigen´ eine recht neue Sichtweise. So bleibt häufig der Vorteil des zahlenmäßigen Übergewichts ungenutzt.

Schaubild 3: Hebel der Veränderung
1.2 Situationsorientierte Präventionsarbeit in der Schule
Auf dem bis hierher geschilderten Hintergrund habe ich an meiner Schule zusammen mit Kolleginnen versucht, Veränderungen in den Schulalltag zu bringen, die dazu führen, dass alle Beteiligten ein Stück mehr Verantwortung übernehmen, letztlich auch um einer Kultur der Akzeptanz den Boden zu bereiten. Wir setzen mit unserer Arbeit bewusst in einem sehr frühen Bereich der Primärprävention an, denn je weiter Konflikte eskalieren, desto schwieriger wird eine konstruktive Konfliktbearbeitung.
Die 3 Säulen, die hier zu sehen sind, haben sich nach und nach entwickelt. Begonnen hat es mit Mediation für SchülerInnen durch SchülerInnen.
Als wir gefragt wurden, ob wir auch eine Schlichtung zwischen einem Schüler und dem Rest der Klasse machen könnten, haben wir überlegt, wie das aussehen kann. Mittlerweile haben wir einen Leitfaden für solche Fälle entwickelt. So ist Säule 2 entstanden, die sich auch bei Konflikten zwischen Klasse und Lehrerin / Lehrer bewährt hat.
Schaubild 4: Krisenintervention bei Konflikten (Gesamtkonzept)

Auch die Entstehung der 3. Säule hat einen konkreten Anlass. Es geht um einen Fall von Ausgrenzung in einer Klasse 8. Die Klasse selbst war erschrocken über das, was da gerade passiert war und suchte Hilfe. Ich habe der Klasse den Workshop `Vorurteile, Diskriminierung, Ausgrenzung - oder: Mit Unterschieden leben lernen´ (Kantharos) angeboten, den ich bis dahin nur in der Lehrerfortbildung durchgeführt hatte. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Auch zwei Jahre später haben die Schülerinnen und Schüler den Eindruck, dass sie mit Ausgrenzung besser umzugehen gelernt haben. Ihr Fazit: „Es kommt zwar immer noch vor, aber jetzt finden sich immer ganz schnell welche, die sich einschalten". Auch die beteiligten LehrerInnen teilen diese Sicht.
Mittlerweile machen wir solche 2-tägigen Workshops nicht nur ausschließlich zu diesem Themenschwerpunkt. Oft möchten die Klassen auch zu `Konfliktlösung´, `Gewalt´ oder `Klassenklima´ und in letzter Zeit verstärkt auch zum Thema `Mobbing´ arbeiten.
Die Entwicklung unseres Angebots zeigt, dass wir zum großen Teil auf die Nachfrage von LehrerInnen und besonders auch SchülerInnen reagiert haben. Ein wesentliches Prinzip bei dieser situationsorientierten Präventionsarbeit ist nämlich, dass den SchülerInnen (und natürlich auch den LehrerInnen) nichts `aufgestülpt´ wird. Uns ist wichtig, dass ihnen etwas angeboten wird, das ziemlich genau `passt´, so dass ihre Interessen, ihre aktuellen Probleme und Fragen im Mittelpunkt stehen und wir gemeinsam Lösungen finden können. Ganz konkret geht es oft darum, eingefahrene Machtstrukturen aufzubrechen. Das Bewusstmachen und Arbeiten am Thema `Machtkonstellationen´ hat das Ziel, dass die Vielen, die nicht zu denjenigen gehören, die die Geschehnisse in der Hauptsache bestimmen, sich ihrer Möglichkeit der Einflussnahme bewusst werden und auch lernen, sie zu nutzen.
Von großer Bedeutung ist auch die Begleitung und Nachbereitung insbesondere der Workshops. Die begleitenden LehrerInnen der Klasse haben hier die Aufgabe, im normalen Schulalltag immer wieder an das anzuknüpfen, was alle gemeinsam in den Workshops erlebt haben und vor allen Dingen auch, was sich alle für die Alltagspraxis vorgenommen haben. Nur so besteht die Chance, dass neu erworbene Kompetenzen, Rituale, Formen des Umgangs miteinander ... Einzug halten in das Alltags-Handeln aller Beteiligten (s. Anhang: Karstedt1, Prinzipien für die Entwicklung erfolgreicher Programme).
Wir haben bewusst ein Konzept entwickelt, das `ganz weit weg ist´ von der gängigen Unterrichtssituation (s. Heitmeyer), so dass auch die SchülerInnen in der Regel das Gefühl haben, dass es um die Bearbeitung ihrer Probleme geht.
Für alle 3 Säulen gilt: die Betroffenen selbst finden Lösungen - lediglich der Rahmen dafür (Methode) wird vorgegeben.
Damit für die jeweilige Situation die passende Vorgehensweise gewählt wird, ist es sehr wichtig, sich in Vorgesprächen mit den beteiligten LehrerInnen und den Klassen ein genaues Bild von der Situation zu machen (Auftragsklärung). Insgesamt haben wir im Laufe der Zeit einen festen Ablauf entwickelt, der sich, ähnlich wie bei der Mediation, als sinnvoll erwiesen hat.

2. Zum theoretischen Hintergrund des Themenschwerpunkts `Mit Unterschieden leben lernen´
2.1 Allgemeines zu `Diversity´9

Der Diversity-Ansatz, der sich seit geraumer Zeit wachsender Beliebtheit erfreut, kommt aus den USA. Er ist auch bekannt unter dem Begriff `Management of Diversity´ oder auch `managing diversity´. Eine deutsche begriffliche Entsprechung gibt es bisher noch nicht. Das Besondere bei diesem Ansatz ist, dass Individuen nicht isoliert betrachtet werden, sondern auch ihre Einbettung in unterschiedliche (sub-) kulturelle Gruppen mit gesehen wird. Was diese Sichtweise mit sich bringt, soll das Schaubild zeigen. Diese Auffassung von `Kultur´ betont, dass die unterschiedlichen Gruppen ihre Realität auf je eigene Art erleben, eigene Wertegemeinschaften, Kommunikationsformen und Handlungsmuster entwickelt haben, die sie verbinden. Das bedeutet auch, dass Aushandlungsprozesse notwendig werden, wozu Kompetenzen bei allen Beteiligten gebraucht werden. Dies bringt uns zu der Frage, was Diversity-Trainings leisten können.
Wozu Diversity-Training?10
Es ist davon auszugehen, dass grundlegende (personale) soziale Kompetenzen wie Empathie, Kooperations- und Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kreativität, Fähigkeit und Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, Mut zum eigenen Denken und viele mehr dazu beitragen, dass Menschen in je unterschiedlichen Situationen handlungsfähig sind.
Im Rahmen des Diversity-Ansatzes, bei dem Individuen auch im Kontext ihrer Einbettung in kulturelle Gruppen (s.o.) gesehen werden, ergeben sich neue Perspektiven. Bei dieser Sichtweise kann deutlich werden, dass z.B. `Konfliktfähigkeit´ oder `Kooperation´ unterschiedlich definiert werden, so dass eine gemeinsame Arbeits- und Kommunikationsbasis geschaffen werden muss. Da nicht von einer existenten `Leitkultur´ ausgegangen wird, müssen Aushandlungs- und Regelungswege gefunden werden. Das Besondere am Diversity-Ansatz ist, dass bewusst der unterschiedliche kulturelle Hintergrund in den Mittelpunkt rückt und Thema der Verständigungsarbeit ist. Daraus ergibt sich, dass über die grundlegenden sozialen Kompetenzen hinausgehend die Fähigkeit gebraucht wird, auch in solchen Situationen, in denen es z.B. um unterschiedliche Wertvorstellungen und Glaubenssätze geht, die Sicht des Gegenübers einnehmen zu können. Milton Bennet nennt dies: „cultural general strategies - i.e. seeing an issue from the other person's perspective"11
Wie im Bereich der Mediation wird davon ausgegangen, dass die Beteiligten selbst die kompetentesten ExpertInnen für jeweils notwendig werdende Aushandlungsprozesse sind. Diversity-Trainings können ein Ort sein, an dem derartige Prozesse auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung und unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit der Interessen stattfinden können.

Der gängige Aufbau von Diversity-Trainings:
1. Sensibilisierung für die hier beschriebene Thematik (Awareness)
2. Aneignung von Kompetenzen (Skill-building)
3. Erarbeitung von Handlungsalternativen zur gängigen Praxis; Festlegung konkreter Ziele.
Der Schritt danach ist die Umsetzung im Alltag.

Wo sind Diversity-Trainings einsetzbar?
Prinzipiell in mono- wie auch multikulturell (nach obigem Verständnis) zusammengesetzten Gruppen, z.B. in Wirtschaft, Verwaltung, sonstigen Institutionen wie auch Schule und Lehrerfortbildung.
Wichtig ist, dass jeweils alle hierarchischen Ebenen einbezogen werden. Wenn zeitlich versetzt gearbeitet wird, sollte der Einstieg nach Möglichkeit auf der höchsten Hierarchieebene erfolgen.
Bei großen Differenzen zwischen Mitgliedern unterschiedlicher (sub-) kultureller Gruppen bieten sich zunächst getrennte Einstiegs-Workshops an, an die die gemeinsame Arbeit anschließen kann (siehe hierzu den Erfahrungsbericht über ein EU-Projekt, durchgeführt vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main, dem Polizeipräsidium Frankfurt und Nichtregierungsorganisationen in Frankfurt)12.

Schaubild 5: managing diversity

2.2 Das Konzept Kantharos
Das Konzept Kantharos (Amsterdam und Berlin)13 basiert auf solch einem Diversity-Ansatz. Bei diesem Konzept gilt vieles, was bisher an Arbeitsprinzipien und Hintergründen genannt ist. Hier die wichtigsten Arbeitsgrundlagen:

  • Andere verändern zu wollen, kann nicht der eigene Anspruch sein. Für das Thema Rassismus gilt nicht die Frage: „Was kann ich tun, damit andere sich weniger rassistisch verhalten?". In unserer Arbeit geht es vielmehr darum, die eigenen individuellen und auch die gesellschaftlichen Grundmuster genauer anzusehen und insbesondere die eigenen Handlungsmöglichkeiten genauer auszuleuchten.
  • Aufeinander aufbauende Übungen und Spiele geben mehr Klarheit über das eigene Verhalten und auch das Verhalten anderer. Als Arbeitsgrundlage gehen wir deshalb von den folgenden 3 Schritten zur Verständigung aus:
    1. Mich selbst besser kennen lernen (Warum tue ich was?)
    2. Wissen über die anderen (Alles, was Menschen tun, ist für sie folgerichtig. Je mehr es mir gelingt, nachzuvollziehen, warum der andere etwas tut, desto wahrscheinlicher ist es, dass Verständigung, d.h. Kommunikation darüber mit ihm möglich ist.)
    3. Was sind meine Grenzen? (Was will / kann ich, was nicht. Gefahren einschätzen.)
Alle Übungen des Workshops lassen sich auf diese drei Schritte zurückführen. Eine Klärung dieser Schritte ermöglicht mehr Einfühlungs- und Wahrnehmungsvermögen und so mehr Klarheit für das eigene Handeln.
  • Am Ende eines Trainings sollte immer stehen: die lösungsorientierte Bearbeitung konkreter Fälle (Probleme) der Teilnehmenden; alternative Handlungsmöglichkeiten werden ausprobiert und auf Alltagstauglichkeit geprüft - gegebenenfalls eingeübt. Dies sind unverzichtbare Voraussetzungen, damit der Transfer in die Alltagspraxis gelingt.
  • Damit sich möglichst viele Menschen angesprochen fühlen, lösen wir uns bewusst vom Thema `Rassismus´ und gehen auf die Ebene der Ausgrenzung ganz allgemein. Die verschiedenen Übungen zeigen:
  • Jeder hat Ausgrenzungserfahrungen (die bayrische Schülerin, die nach NRW umzieht; der schwarze Mann im Umfeld einer weißen Mehrheitsgesellschaft; die weiße Frau in ihrem männerdominierten beruflichen Kontext; der weiße Lehrer, der öffentlich zu seiner Homosexualität steht; die einzige Rothaarige in ihrer Kindergartengruppe ...)
  • Das Thema wird so ausgeweitet - nach dem Motto: „Es geht jeden etwas an - nicht allein aus dem Grund, weil es für jeden eine Frage der Verantwortung ist, was geschieht (mit Ausgegrenzten), sondern, weil jeder in dem einen oder anderen Kontext selbst betroffen sein kann. Daraus ergibt sich, dass zumindest eine große Mehrheit Interesse an Veränderung hat.
    Hier wird die Entwicklung vor allen Dingen in der Terminologie deutlich vom ursprünglichen Anti-Rassismus Training, das auch diesen Hebel als Ansatz seiner Arbeit hat, hin zum Diversity-Ansatz. Dieser liefert nun ein komplexeres Konzept mit modifizierten Grundannahmen dazu (zur Begriffsklärung siehe auch Anhang).
  • Im Sinne des Diversity Konzeptes gehen wir davon aus, dass die Interessen aller Mitglieder der ganz unterschiedlichen (sub-) kulturellen Gruppen im Gegensatz zur herrschenden Dominanzkultur1) als gleichrangig zu betrachten sind. Die Diskrepanz zur Alltagssituation und deren Veränderung sollten Thema der Workshops sein.
  • Die Tatsache, dass die hier geschilderte Arbeit sich an Individuen richtet, soll natürlich nicht darüber hinweg täuschen, dass Rassismus und auch Ausgrenzung ganz allgemein gesellschaftliche Ursachen haben, die wir damit nicht beseitigen. Wenn wir allerdings Menschen, ansetzend an ihren eigenen Problemlagen, unterstützen, solidarischer zu handeln, und sie so in ihrem gesellschaftlichen Engagement stärken, erscheint uns das ein wichtiger Beitrag auch zu einer gesellschaftlichen Veränderung zu sein.
Zur Einordnung: Diversity-Trainings, auch speziell das Konzept Kantharos, können in ganz unterschiedlichen Kontexten eingesetzt werden. Am Pestalozzi-Gymnasium hat sich eher zufällig ergeben, dass der Themenschwerpunkt Ausgrenzung in dieser Weise in das Gesamtkonzept der Konfliktbearbeitung eingebunden ist. Im Nachhinein hat sich dies als recht sinnvoll erwiesen, da es so zu einem bedarfsgerechten Angebot mit beiträgt. Denkbare andere Einsatzmöglichkeiten sind Projekte oder Arbeitsgemeinschaften. In jedem Fall muss für ein Gelingen der Arbeit die Motivation der überwiegenden Mehrheit der Beteiligten gegeben sein, was erfahrungsgemäß kein großes Problem ist, schon gar nicht, wenn man erst einmal angefangen hat. Die Arbeit macht nämlich den allermeisten richtig Spaß!
Schaubild 6: Zivilcourage

2.3 Theoretische Erkenntnisse und Praxisverbindung
Zum Abschluss noch einmal zurück zu der Frage, welches die Ursachen von `Nicht-Gewalt´, `Nicht-Ausgrenzung´ ... sind und welche Hinweise uns die Ergebnisse für die Praxis liefern.
Schaubild 6 gibt Kernaspekte aus zwei unterschiedlichen Studien wieder, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben. Die im Schaubild aufgelisteten Punkte sollen zeigen, welche Antworten sich auf die beiden zentralen Fragen ergeben haben.
Zivilcourage ist heute in aller Munde. Auch hier haben wir am Anfang gesehen, dass sie gebraucht wird. Wichtig für die Arbeit mit dem Themenschwerpunkt `Mit Unterschieden leben lernen´ ist, dass einige wesentliche Aspekte für das Aufbringen von Zivilcourage auch in unseren Trainings / Workshops im Mittelpunkt stehen. 2

Ergebnisse der Studie: Trainingsinhalte:
- verlässliche Bezugsperson - als BündnispartnerIn handeln lernen, um solch eine Bezugsperson sein zu können
- Außenseiterdasein (verarbeitetes) - eigene Außenseiter-Erfahrungen werden lebendig in den Trainings. Dies erleichtert die Perspektiv-Übernahme.
- Phantasie, sich in andere hinein zu versetzen - viele Übungen trainieren dies: Perspektiv-Übernahme. Diese Fähigkeit ist wichtig, wenn es darum geht, die Folgen des eigenen Handelns abzuschätzen und auch Handeln anderer nachzuvollziehen.
Einen Punkt aus der Studie über Zivilcourage möchte ich noch herausgreifen, weil daraus auch abzulesen ist, welche Chancen auf Veränderung wir überhaupt durch eine solche Arbeit im präventiven Bereich haben können, wie sie hier vorgestellt wird.
Wolfgang Heuer zeigt in seinem Aufsatz über die Studie „Woher nehmen mutige Menschen im Alltag und im Extremfall ihre Kraft?" 15 von wie viel Zufälligkeiten es abhängt, dass Menschen mutig sind und Zivilcourage aufbringen. Er zeigt aber auch, welchen Sog-Effekt es haben kann, wenn der oder die erste anfängt („weil es die Situation ganz einfach erfordert", ist oft die lapidare Erklärung) und offensichtlich damit einen Bann durchbricht, so dass andere sich anschließen und dadurch einfach Fakten geschaffen werden. Beispiele aus der Geschichte werden hier aufgeführt.
Für unsere Arbeit heißt das: Es macht Sinn, der so genannten `nicht beteiligten Mehrheit´ Handlungsperspektiven anzubieten bzw. sie mit ihr gemeinsam zu erarbeiten und einzuüben, um so Veränderungen in Richtung einer Kultur der Akzeptanz in Gang zu setzen.

3. Multiplikatorenqualifizierung – Multiplikatorentätigkeit in der Praxis
Am Ende der `Wegbeschreibung´ noch ein Wort zur Arbeit im Multiplikatorenbereich. Das Schaubild 7 soll zum Ausdruck bringen, dass wir auf regionaler Ebene unter anderem im Rahmen des `Herner Modells´ recht unkonventionelle Wege gegangen sind, wobei viele Kooperationspartner (RAA, Jugendamt, Schulamt und Dezernat 45 – Lehrerfortbildung) beteiligt waren.
Der Baustein `Mit Unterschieden leben lernen´ wurde in allen Fortbildungsprojekten zumindest als ein Themenschwerpunkt angefragt und durchgeführt.

    Inhaltlich und organisatorisch Neues:
  • Multiplikatorentraining mit ganz bunt gemischter Teilnehmerschaft (SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen, JugendheimleiterInnen, LehrerInnen unterschiedlicher Schulformen, ErzieherInnen ...).
    Diese Vernetzung im Praxisfeld wurde von allen Beteiligten als äußerst erfrischend erlebt. Gängige Vorurteile den verschiedenen Berufsgruppen gegenüber, die hier aufeinander trafen, konnten so abgebaut werden, ganz im Sinne unseres Themas `Mit Unterschieden leben lernen´. Ein wichtiger Effekt für die Arbeit waren die ganz unterschiedlichen Sichtweisen, die hilfreich waren für die Entwicklung von Lösungsmustern.
  • Die begleitende Lehrerfortbildung zum Projekt „Ohne Gewalt stark" vom Kommissariat Vorbeugung Bochum wurde konzipiert und durchgeführt, damit mehr LehrerInnen in der Lage sind, dieses Projekt zu begleiten, so dass es für die SchülerInnen keine Einzelveranstaltung bleibt. Vielmehr wäre es wünschenswert, wenn auf schulischer Ebene das Präventionsangebot ausgeweitet würde, orientiert an den jeweiligen Interessenlagen innerhalb des schulischen Kontextes.
3.1 Perspektiven für die Zukunft
Für MultiplikatorInnen, die in ihrer eigenen Einrichtung ein ähnliches Konfliktmanagement- und Diversity-Angebot
anbieten möchten, ist es hilfreich, über möglichst breitgefächerte Kompetenzen zu verfügen, damit ein in hohem Maße bedarfsgerechtes Angebot gemacht werden kann. Denn je zielgenauer die Bedürfnisse der `EndabnehmerInnen´ getroffen werden, desto größer sind die Chancen, dass die Ergebnisse in den Alltag übernommen werden.
Um interessierten MultiplikatorInnen wie z. B. TeilnehmerInnen der begleitenden Lehrerfortbildung zu „Ohne Gewalt stark" den Einstieg in eine solche Arbeit zu erleichtern, ist ein Unterstützungs- und Weiterqualifizierungsangebot in Planung. Das soll so aussehen, dass Schulen (vorzugsweise die, deren Lehrkräfte eine der Fortbildungen besucht haben) über das Dezernat 45 beispielsweise eine Unterstützung für die Durchführung von Workshops mit ganzen Klassen beantragen können. Nach 1 oder 2 Ko-Moderationen und gegebenenfalls weiterer Qualifizierung sollten dann die LehrerInnen der Schule, die vorher an der Lehrerfortbildung teilgenommen haben, in der Lage sein, entsprechende Workshops bzw. ähnliche Angebote selbst durchzuführen. AnsprechpartnerInnen sollen darüber hinaus in jedem Fall für Austausch und Beratung zur Verfügung stehen. Die Ausbildung von weiteren ModeratorInnen aus diesem Kreis, die dies dann leisten können, soll in Kürze beginnen.
Schaubild 7: Multiplikatorenqualifizierung

3.2 Welche weitere Unterstützung kann die Behörde, können staatliche Institutionen geben?
Wie bereits gesagt, setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Schule sehr viel mehr leisten muss als die Durchführung des ganz normalen Unterrichts. Das erfordert letztlich natürlich auch Ressourcen. Neben anderen warnt Heitmeyer, dessen Einschätzung wieder stark nachgefragt wird, seit das Thema Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus in der öffentlichen Diskussion steht, nachdrücklich davor, es bei kurzfristig angelegten Projekten und Bündnissen zu belassen. Nur langfristig angelegte pädagogische Arbeit hat überhaupt eine Chance, eine gesellschaftliche Klimaveränderung in Gang zu setzen. Auch Möllers Untersuchungsergebnisse weisen darauf hin, dass mehr als bisher angenommen Schule und Familie neben der peer-group eine wichtige Einflussgröße im Leben der Jugendlichen darstellen. Für die Schule gilt allerdings, dass in erster Linie außerschulische Aktivitäten bzw. das persönliche Alltagsverhalten der LehrerInnen 3 diesen Einflussfaktor ausmachen. Die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, liegen auf der Hand. Eine aktive Gestaltung des Schullebens und weitere Öffnung von Schule muss fortgesetzt werden. Die vor einigen Jahren eingeführte Einrichtung der Zeitbudget-Stunden hat sich in diesem Zusammenhang als hilfreich erwiesen für Schulen, die über den Unterricht hinausführende Konzepte in die Praxis umsetzen. Ohne eine solche Einrichtung wäre die hier beschriebene Arbeit nicht realisierbar.

Der Text erscheint in der Dokumentation zur Fachtagung „Die Kids und wir – Institutionen in der Verantwortung – Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Lünen 23.11.2000 (wahrscheinlich Sommer 2001).

Literaturliste:

  1. Karstedt, Susanne: Was können wir wissen, was sollen wir tun? Erfolgreiche Strategien im Umgang mit der Jugendkriminalität S. 46. In: Die Kids und wir, Institutionen in der Verantwortung, Tagungsband zur Fachtagung „Eindämmung der Jugendkriminalität", 31.08.1999, Lünen
  2. Möller, Kurt: Rechte Kids, Eine Langzeitstudie über Auf- und Abbau rechtsextremistischer Orientierungen bei 13-15jährigen, München 2000, Juventa Verlag Weinheim und München
  3. Heitmeyer, Wilhelm: Wenn Belehrung gegen Erfahrung nicht ankommt, Frankfurter Rundschau 22.10.1992
  4. Heitmeyer, Wilhelm: Gefährliche Selbsttäuschung, Süddeutsche Zeitung 30.8.2000
  5. Herausgeber: Trainingskollektiv für Gewaltfreie Aktion und kreative Konfliktlösung Köln; Autorinnen: Blum, Heike & Knittel, Gudrun, in Zusammenarbeit mit der Heinrich Böll Stiftung: Training zum gewaltfreien Eingreifen gegen Rassismus und rechtsextreme Gewalt. Eine Methodensammlung und Diskussionsanregung, Köln 2. Aufl. Februar 1995; Bestelladresse: Graswurzelwerkstatt, Scharnhorststr. 6, 50733 Köln, Tel. 0221/765842
  6. Mars, Elisabeth; Heynitz, Liese, Arbeitsstelle Weltbilder, Agentur für Interkulturelle Pädagogik, Südstr. 71b, 48153 Münster, Tel. 0251/72009: Entdeckungen. Arbeitsformen gegen Rassismus (nicht nur) für den Gebrauch in Schulen, ohne Jahr
  7. Arbeitsgruppe SOS-Rassismus NRW, c/o Ralf-Erik Posselt, Haus Villigst, 58239 Schwerte, Tel. 02304/755190 (Hg): Spiele, Impulse und Übungen zur Thematisierung von Gewalt und Rassismus in der Jugendarbeit, Schule und Bildungsarbeit, 1996
  8. van den Broek, Lida (Gründerin des Bildungsvereins Kantharos, Amsterdam): Am Ende der Weißheit, Vorurteile überwinden, Berlin 1993, Orlanda-Frauenverlag
  9. Knapp, Karlfried, Kappel, Bernd E., Eubel-Kaspar, Karla, Salo-Lee (Hg): Meeting the Intercultural Challenge, Effective Approaches in Research, Education, Training and Business, Sternenfels; Berlin, 1999, Verlag Wissenschaft und Praxis
  10. Emmerich, Astrid; Krell, Gertraude: Managing Diversity-Trainings, in: Krell, Gertraude (Hg): Chancengleichheit durch Personalpolitik, Gabler Verlag
  11. Bennet, Milton: Targeting Intercultural Competence in Global Leadership Development, keynote-speech auf dem Sietar Deutschland Kongress 2000 vom 25.-27.5.2000 in Ludwigshafen: "Interkulturelles Lernen und interkulturelles Management – Konzepte und Erfahrungen für eine effektive internationale Kooperation"
  12. Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main, dem Polizeipräsidium Frankfurt und Nichtregierungsorganisationen in Frankfurt (Hg): Polizei mit Migrantinnen und Migranten im Dialog, Frankfurt am Main 2000
  13. Stadt Dortmund, Schulverwaltungsamt, Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen (RAA), Burgholzstr 150, 44145 Dortmund, Tel. 0231/50-25830 (Hg): Mit Unterschieden leben lernen, Training zur Förderung der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit, Bausteine zum interkulturellen Lernen, Dortmund 4/1995
  14. Rommelspacher, Birgit: Psychologische Erklärungsmuster zum Rassismus, in: Mecheril, Paul / Teo, Thomas (Hg): Psychologie und Rassismus, rowohlts enzyklopädie, Reinbek bei Hamburg, Juli 1997, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH
  15. Heuer, Wolfgang: Woher nehmen Mutige Menschen im Alltag und im Extremfall ihre Kraft? Zwischen Anpassung und Widerständigkeit. Über das Entstehen von Zivilcourage und ihre Bedeutung für eine demokratische Gesellschaft, Frankfurter Rundschau, 26.8.1994
  16. Ahlheim, Klaus; Heger, Bardo: Der unbequeme Fremde, Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – empirische Befunde, Schwalbach/Ts, Wochenschau Verlag, 2. durchges. Aufl. 2000
  17. Attia, Iman: Antirassistisch oder interkulturell? Sozialwissenschaftliche Handlungskonzepte im Kontext von Migration, Kultur und Rassismus, in: Mecheril, Paul / Teo, Thomas (Hg): Psychologie und Rassismus, rowohlts enzyklopädie, Reinbek bei Hamburg, Juli 1997, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH
    Weitere Literaturempfehlungen:
  1. Tanja Berg, / Julika Bürgin / Barbara Schäuble / Erik Weckel: Selbstverständlichkeiten in den Blick nehmen. Nicht-rassistische Bildungsarbeit als Seminarprinzip. In: Mecklenburg, Jens: Was tun gegen rechts, Berlin 1999, Elefanten Press
  2. Heitmeyer, Wilhelm: Gefährliche Selbsttäuschung, Süddeutsche Zeitung 30.8.2000
  3. Kalpaka, Anita; Christiane Wilkening: Multikulturelle Lerngruppen, Veränderte Anforderungen an das pädagogische Handeln. Ein Seminarkonzept, hiba – Weiterbildung, Band 10/37, April 1997

Anhang

Begriffsklärung17:

Der Diversity-Ansatz verbindet Grundelemente des interkulturellen Trainings und des Antirassismus-Trainings. Wenn auch in der Praxis diese strikte Trennung so selten eingehalten wird, stehen die Begriffe für in einigen Kernaspekten Unterschiedliches.

In der Literatur herrscht häufig folgendes Verständnis über antirassistische Ansätze vor:

In der antirassistischen Arbeit wird von einem Machtverhältnis zwischen Angehörigen verschiedener kultureller Gruppen ausgegangen. Hier setzt die Arbeit an, in der es darum geht, dies offen zu legen, zu reflektieren und gemeinsam Möglichkeiten der Veränderung zu finden (Macht-Umverteilung; Macht-Zuwachs auf beiden Seiten ...). Der Kulturaspekt, d.h. Unterschiede zwischen den Kulturen ist hier weniger Thema.

Ein verbreitetes Verständnis von interkulturellen Ansätzen:

Interkulturelle Ansätze werden in der Literatur häufig so beschrieben, dass das Wissen um kulturelle Unterschiede und dessen Thematisierung Gegenstand des Trainings sind. Machtunterschiede bleiben in diesem Ansatz eher unberücksichtigt.

Der Diversity Ansatz enthält Elemente aus beiden Konzepten. Dem interkulturellen Aspekt (mit veränderten Grundannahmen) wird Bedeutung zugemessen, da wir Unterschiede zwischen den Kulturen nicht negieren wollen (eine nivellierte Einheitsgesellschaft gibt es nicht und wird auch nicht angestrebt). Machtungleichheiten zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Kulturen dürfen allerdings nicht außer Acht gelassen werden, sondern müssen Gegenstand der Arbeit sein.

2) Hier Susanne Karstedts Merkmale erfolgreicher Programme1:

„Gerade die Merkmale erfolgreicher Programme können uns Mut machen. Die Parole „Nothing works" nichts hilft gilt nicht, auch wenn die Effekte häufig nur gering sind. Dies sind die wichtigsten Merkmale erfolgreicher Programme:

• Integrierte Programme an Schulen sind erfolgreicher als SchmalspurProgramme.

• Programme, die konsequent die Erwachsenen einbeziehen, sind erfolgreicher als Programme, die ausschließlich auf Schüler und PeerAktivitäten setzen.

• Programme, die konsequent auf Regelentwicklung und einhaltung aufbauen, sind erfolgreich in der Gewaltprävention an Schulen.

• Programme, die Verhaltenskompetenzen trainieren, sind erfolgreicher als Informations- und Instruktionsprogramme, die Kenntnisse über Drogen, Rechtskenntnisse und moralische Einstellungen vermitteln.

• Programme zur Situationsprävention sind erfolgreich, wenn sie auf einer genauen Analyse der Situation basieren.

• Programme, deren Programm Integrität gewährleistet ist, sind erfolgreicher.

• Programme, die in allen Phasen von Wissenschaftlern begleitet werden, sind erfolgreicher, u.a. weil ihre ProgrammIntegrität besser gewährleistet ist.

Damit spreche ich hier natürlich auch in eigener Sache als Wissenschaftlerin. Ich möchte Sie ermutigen, den Kontakt zur Wissenschaft verstärkt zu suchen. Wissenschaftler sind heute mehr denn je zu Kontakten mit der Praxis bereit und werden von den Fachhochschulen aufgefordert, diese Kontakte zu suchen."


1 Die Studie „Der unbequeme Fremde" (s. Literaturliste) zeigt, dass fremdenfeindliche Einstellungen bei Erwachsenen deutlich häufiger zu finden sind als bei Jugendlichen. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit von Multiplikatorenqualifizierung.

2 ) Birgit Rommelspacher verwendet den Begriff der Dominanzkultur und versteht darunter, dass wir innerhalb eines Gefüges von gesellschaftlichen Hierarchien leben, in denen Lebens- und Partizipationschancen unter den verschiedenen (sub-) kulturellen bzw. sozialen Gruppen sehr ungleich verteilt sind (s. Literaturliste (14)).

3 Auch Kurt Möllers Ergebnisse einer Langzeitstudie (s. Literaturliste) über Auf- und Abbau rechtsextremistischer Orientierungen bei 13-15jährigen verweisen auf ähnliche Schwerpunktsetzungen für Unterstützungsprogramme. Personale Kompetenzentwicklung in Bezug auf Reflexionsvermögen, Fähigkeit der Perspektivübernahme, Empathie, Verantwortungsübernahme ... wird als verfolgenswertes Ziel solcher Angebote genannt. Möllers Empfehlung ist: Ausweitung des Forschungsbereiches auf Unterstützungsprogramme und deren Evaluation. Nicht zuletzt unter pädagogischen Gesichtspunkten hält er es für wichtig, genaue Aufschlüsse darüber zu gewinnen, welche Bedingungen ausschlaggebend sind, wenn Kinder und Jugendliche sich wenig von Rechtsextremismus bzw. Fremdenfeindlichkeit angesprochen fühlen, bzw. was sie veranlasst, sich wieder davon zu distanzieren.